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Zwölfte Woche

Hallo liebes Tagebuch,

Aus Krankheitsgründen schreibe ich Dir erst so spät. Ich bin ja immer noch nicht wieder gut in schuss, da solltest Du auch nicht lamentieren, wenn es diesmal ein bisschen kürzer wird. Das doofe ist, hier in Frankreich wird man gar nicht gesund. Dabei greife ich schon auf die Schamanenrezepte meiner neuen Kumpelin aus Madagaskar zuück. Doch das hilft nicht. Die kochen halt auch nur mit Wasser. Das Schlimme sind aber nicht die aus Madagaskar, sondern aus Frankreich. Die Franzosen sind nämlich alles Rassisten und Verbrecher. Das sieht man ja schon daran, dass jetzt als erster wegen der Attentate in Amerika ein Franzose angeklagt ist: Zacarias Moussaoui. Zugegeben, der Name klingt nicht sehr französisch, er ist aber trotzdem französischer Staatsbürger, auch wenn die Franzosen jetzt natürlich verzweifelt nach Indizien suchen, die dagegen sprechen. Aber daran gibt's nichts zu rütteln. Erst legen sie sich die ganzen Kolonien zu und dann  wollen sie mit ihren Eingemeindeten nichts mehr zu tun haben.

 

Deutschland hat sich da geschickter verhalten. Die wussten schon Ende des 19. Jahrhunderts, warum sie ihre Finger von den Ländern mit moslemischer Bevölkerung lassen, wo das doch alles zukünftige Terroristen waren, die man sich so nur ans Land zog. Nein, Zacarias Moussaoui, der ist nämlich in St.-Jean-de-Luz geboren, was im französischen Baskenland liegt und zufälligerweise von Michèle Alliot-Marie regiert wird, die gleichzeitig Vorsitzende der gaullistischen RPR ist. Wenn das kein Zufall ist, habe ich mir gesagt. Eigentlich müsste man sie gleich mitverhaften, schliesslich zeigt seine Verwicklung in die Attentate, dass sie das Feld der inneren Sicherheit sträflich vernachlässigt hat, entgegen anderslauternden Beteuerungen.

 

Hätte Michèle Alliot-Marie ihr Bürgermeisteramt mit mehr Sorgfalt ausgeübt, dann wäre, es zu den Attentaten nie gekommen. Ja im Grunde muss man Frankreich dafür verantwortlichen machen. Wenn man sieht, wie grimmig Zacarias Moussaoui auf den Haftphotos guckt, dann kann der mit seinem Leben bestimmt nicht zufrieden sein. Und das hat er ja bekanntlich zu grossen Teilen in Frankreich verbracht. Der Rassismus im Land hat ihn zu den Extremisten getrieben. Dieser wird immer wieder dann deutlich, wenn die Miss France gewählt wird, bei der auch dieses Jahr wieder keine Schwarze aus den französischen Gebieten in Übersee gewonnen hat, obwohl die in der Regel viel hübscher sind als ihre weissen Konkurentinnen. Zwar kommt jedes Jahr eine ins Finale unter die ersten fünf, aber das auch nur, um das Gewissen der Franzosen zu beruhigen. Kein Wunder, das Zacarias jedes Jahr darüber ein bisschen mehr verharmte. Ich wäre unter solchen Umständen auch zum Terroristen geworden. Deutsche hätten nämlich bei den Schönheitswahlen in Frankreich auch keine Chance. Hätte ich zum Beispiel an der Miss-Wahl teilgenommen, jetzt nur mal hypotetisch, ich bin ja schliesslich ein Junge, also dürften auch deutsche Jungen an der französischen Miss-Wahl teilnehmen, sie hätten trozdem die Miss-Lyon, Sylvie Tellier, die wie ein Fisch aussieht und nicht mal ne richtige Oberweite hat - nun gut die habe ich auch nicht, das eint uns ja - gewinnen lassen., obwohl, wenn ich überlegen müsste, welchen Tieren ich ähnlich sehe, mir nur solche einfallen, die besser als Fische aussehen.

 

Die Franzosen würden sich dann wieder damit rausreden, dass die aus Lyon ja Jura studieren, was mehr wert sei als mein Lehramtsstudium. Aber dem Eindruck nach zu urteilen kann das mit dem Jura nicht ganz stimmen, oder in Frankreich spielt Intelligenz im Jura-Studium keine Rolle, was erklären würde, warum sie sich bei ihrer zweisätzigen Antwortrede so oft verlesen hat. Na ja, so ist das halt, liebes Tagebuch, da bleibt einem glatt die Spucke weg, obgleich ich die noch brauche, schliesslich muss ich meinen entzündeten Hals damit kühlen. Nächstes Mal wird wieder mehr recherchiert und weniger abgeschweift, sofern ich dann noch lebe. Da kann ich mir nur ToiToiToi wünschen, schreibt man das so, liebes Tagebuch? Aber das weisst Du ja wahrscheinlich auch nicht oder zumindest kannst Du mir nicht anworten, da Dir die Gabe zum schreiben fehlt. So bleibt das mal wieder an mir hängen, das rauszukriegen.

Dein Stephan.