Zurück zu Stephan
Zwanzigste Woche
Für deutsche
Erasmusstudenten ist es oft nicht einfach beim französischen Nachbarn. Ich
sag ja sogar immer. Man muss mit der Arroganz leben, aber gelegentlich nervt
es doch, wenn ich immer wieder daran erinnert werde, mit welchem Ergebnis
Deutschland 1998 im Viertelfinale gegen Kroatien ausgeschieden ist, wohingegen
die französische Mannschaft den WM-Pokal nicht nur in die Julinacht recken,
sondern auch noch küssen durfte. Bei der Europameisterschaft haben wir auch
nicht unbedingt für Schadensbegrenzung gesorgt. Mich drängt es dann zu
entgegnen: «Ja, im Fussball! Aber wann hat eigentlich ein Franzose das letzte
Mal die Tour de France gewonnen?» Leider weiss ich aus vielen
Expertengesprächen, dass sich jeder Franzosen unter 70 ein Ei auf der Tour de
France pellt, ich somit kaum Empfindlichkeiten bebohren dürfte. Da bleibt mir
dann doch nur der Hinweis, selbst ich würde gegen die DFB Elf als Sieger vom
Platz gehen.
|
Seit zwei Wochen
wird aber zurückgeschossen. Florian und ich können wieder erhobenen Hauptes
durchs Wohnheim, die Uni und Pau promenieren, dank unserer deutschen
Olympioniken in Salt Lake City. Wir drucken uns beide jeden Tag den
Medaillenspiegel von www.spiegel.de aus
und tapezieren damit das Wohnheimszimmer. Es lebt sich jetzt da schon viel gemütlicher.
Hier bestätigt sich halt wieder, man braucht nicht viel, um glücklich zu
sein: was sind schon Frauen, Geld, Gesundheit und Erfolg? Nichts im Vergleich
zu der Tatsache, dass Deutschland
am Ende in der Medaillenwertung vor Frankreich liegen wird. Man braucht nur
mal den Stand vom 19.02.02, 12 Uhr mitteleuropäische Ortszeit zu analysieren.
Frankreich steht dort mit 3 Goldmedaillen, 3 Silbermedaillen und einer
Bronzemedaille auf Platz 5. Der Abstand zu Deutschland mit seinen 8
Goldmedaillen, 10 Silbermedaillen und sechs Bronzemedaillen, welches sich
jetzt endlich vor Norwegen an die Spitze gesetzt hat, wirkt auf den ersten
Blick nicht so gewaltig, wie er aussieht.
|
Es gilt jedoch
die Frage zu beantworten, wie es zu diesem Stand gekommen ist. Frankreich hat
sich seine Goldenen zum Teil nämlich erkauft, so im Eistanz, wo osteuropäische
Athletinnen eingebürgert wurden und Frankreich darüber hinaus, um sich die
Stimmen der Russen nicht zu verspielen, seiner Preisrichterin beim Paarlauf
erlaubt hat, sich von ihnen bestechen zu lassen. Damit das niemandem auffällt,
widmete TF 1 seine kompletten Nachrichten Carole Montillet, die unglücklicherweise
das erste Mal ein Ski-Abfahrtsrennen gewonnen hat und dann auch noch bei den
olympischen Spielen. Zur Strafe musste sie während der einstündigen
Nachrichtensendung die ganze Zeit ihre Medaille in die Kamera halten. Da sieht
man mal wieder den Unterschied. Im deutschen Fernsehen haben die
Goldmedaillengewinner nur 20, die Silbermedaillengewinner 10 und die
Bronzemedaillen 5 Sekunden Zeit, sich vorzustellen. Wer es nicht ins Fernsehen
schafft, dem wird die Sporthilfe gestrichen.
|
Auf Carole Montillet
ruhten dann auch sämtliche Hoffnungen, dass sie es unserm Rasi-Wasi
nachmachen könnte, der 1994 in Lillehammer sich auch nur deswegen noch eine
zweite Goldmedaille holte, weil er die erste verbummelt hatte und er sich
ferner schon als kleiner Junge geschworen hatte, dass er erst dann mit dem
Skisport aufhören wollen würde, wenn er zwei Siege auf dem Konto hätte. Er
brauchte einen Grund, um aufhören zu dürfen, denn dieses Anstehen am Lift
hing ihm mit der Zeit doch langsam zum Halse raus.
|
Über Carole
Montillets Chancen wurde dann im Vorfeld des Super-Skis [hab ich auch immer so
verstanden, weil die Westreporter aus Bayern immer 'Super-Tschi' sagten, was
eigentlich Super-Dschi ausgesprochen werden müßte, weil es sich um Super-G
handelt. Der Setzer (Dafür sagen sie auch nicht 'jour', sondern
'Schur')] mehr als nur ausführlich in allen Medien diskutiert und es sollte
dann auch nach dem Rennen die zweite Goldmedaille von allen Seiten beleuchtet
werden. Stattdessen mussten die 48 Stunden Sonderberichterstattung damit gefüllt
werden, zu erklären, dass ein siebter Platz auch nicht so schlecht sei und
vor allem ja eins der besten Resultate in ihrer Karriere. Der wirkliche Grund
für ihr Scheitern ist jedoch woanders angeknüppelt. Erstens hat sie nicht so
einen tollen Namen wie Markus Wasmeier und zweitens gibt es in Frankreich
nicht die Bildzeitung. So einfach ist das.
|
Die Deutschen haben
hingegen solche Schein-Debatten nicht nötig. Wir können es uns sogar
leisten, Johann Mühlegg an die Spanier abzugeben, damit die nicht ganz mit
leeren Händen dastehen, und die Schweiz und Österreich an die Schweiz und Österreich.
Es gilt sich ferner vor Augen zu halten, wieviel Silbermedaillen wir gewonnen
haben: 10. Das heisst zehnmal fast Gold. Die deutschen Athleten hätten sich
also nur zehnmal ein bisschen mehr anstrengen müssen, dann wären das 10
Goldmedaillen mehr für Deutschland. Bei dem Sven Hannawald hatten nicht ohne
Grund zahlreiche Sportkommentatoren den Eindruck, dass er sich absichtlich hat
von der Grossschanze plumpsen lassen, weil bei noch einem Edelmetall der
Martin Schmitt eifersüchtig gewesen wäre. Und der Hackl-Schorsch hatte
einfach keine Lust mehr auf noch eine Goldene, weshalb er sich im Eiskanal hat
zurückfallen lassen. Darum ja auch auf der Pressekonferenz die gespielten Tränen
der Erleichterung. Man sieht, wäre alles mit rechten Dingen zugegangen,
Deutschland hätte alle Medaillen gewonnen.
|
Florian und ich
haben jetzt jedenfalls wieder genug Argumente, wenn die Franzosen uns mit
Fussball kommen. Schon mit dem heutigen Stand im Rücken können wir sie
darauf aufmerksam machen, dass sie, allein um die olympischen Goldmedaillen
aufzuholen, noch fünf Fussball-WMs gewinnen müssen. Eigentlich noch mehr,
denn ein Olympiasieg zählt viel mehr als ein Fussball-Titel, schliesslich
weiss jedes kleine Kind, dass beim Fussball alles ein abgekartetes Spiel ist
und das Geld regiert. Der olympische Gedanke hat hier schon lange nur noch
einen Stehplatz hinterm Tor, während er bei den olympischen Spielen auf der
überdachten Tribüne sitzt
|
|
|