Endlich zuhause Teil II

 

Die Türklinke vom Zimmer würde abfallen, wenn ich sie nicht im Wissen, daß sie abfallen würde, festhhielte.

 

Sie ist durch eine kleine Muffe am Strebekantbolzen befestigt, die leider bei der Renovierung nicht mitgeliefert worden ist. Ich lehne es ab, mir auf eigene Kosten eine zu besorgen.

 

Wenn man die Klinke vorsichtig drückt, kann nichts passieren, aber wer macht das schon? Man darf die Tür auch nicht zu stark aufreißen, weil gleich dahinter der eine Schrank steht und schon der Lack abgegangen ist von der Tür an der einen Stelle, an die sie an den einen Schrank dann ranstößt.

 

Aber das beherrsche ich inzwischen alles unbewußt, darüber muß ich gar nicht mehr nachdenken. Meine Füße haben praktisch schon Augen entwickelt, um gegen keine der vielen bereitstehenden Kanten zu stoßen,

 

und meine Hände haben lange Fühler, die sie vor Berührungen mit ekligen Dingen schützen.

 

Wenn ich mein Wohnzimmer betreten habe, bin ich im Prinzip zu Hause und könnte mich zufriedengeben. Ich rücke dann reflexartig den Teppich gerade, der sich beim Losgehen immer verrückt und mache mich auf den Weg in die Küche.

 

Die Küche hat keine Tür eingebaut bekommen vom kapitalistischen Hausbesitzer, aber ich tue trotzdem so, als würde ich sie öffnen, nur aus Protest, damit er mal sieht.

 

Ich trinke ein Glas Wasser und überlege dabei, ob ich lieber ein neues Glas hätte nehmen sollen. Dann gehe ich erfrischt zurück ins Arbeitszimmer. Manchmal stehe ich eine Weile unschlüssig herum, bevor ich mich in meinen Arbeitsstuhl setze, der auf dem Läufer steht, der auch immer verrutscht, vor allem beim Arbeiten. Man muß den Stuhl heben, nicht schieben, sage ich mir immer wieder, aber ich habe mir das schon so oft gesagt, ich höre gar nicht mehr richtig hin.

 

Wenn mir meine innere Stichuhr sagt, daß ich fertig gearbeitet habe,

 

gehe ich ins Bad, wo immer eine Zahnbürste für mich bereitsteht. Meistens fällt mir die Zahnpasta auf dem Weg zum Mund runter, aber ich bin dann zu faul, noch einmal die Tube zu öffnen. Man braucht auch keine Zahnpasta, sagen viele Zahnärzte. Ich putze, bis die Schaumtröpfchen, die aus dem Mund quellen leicht rosa sind und spüle gründlich aus. Danach gehe ich ins Schlafzimmer und lege mich in mein Bett, das mir auch Liege, Couch und Anrichte ist.

 

Ich beobachte die vielen blinkenden Lichter in der Wohnung, Telefon, Videorekorder, Internetkästchen, Fernsehknopf, wie kleine Glühwürmchen umschwärmen sie mich, und ich fühle mich nicht so allein im Dunkeln.

 

Nach dem Aufwachen am nächsten Tag passiert dann meistens genau das gleiche, weswegen ich es auch nicht noch einmal erzählen muß. Außer vielleicht am Sonntag, da bleibe ich zu Hause.

 

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