Schmidt in Rumänien

Dracula
1.Juli





Statt mit Bleiwesten zu trainieren, bereite ich mich in diesem Jahr auf den Berlin-Marathon in Rumänien vor, der Effekt ist derselbe. Bekanntlich hat ein Trainingslager in Osteuropa schon Silvester Stallone in "Rocky 4" zum Sieg gegen Ivan Drago verholfen. Auf mein Team kann ich mich verlassen, alle ziehen super mit. Gestern Nacht haben meine Mitarbeiter vor meinem Parterrefenster im "Hotel Retro" bis fünf Uhr morgens die Straße aufgerissen, damit ich lerne, besser mit Streßsituationen umzugehen. Sportmedizinisch muß ich in Rumänien auf nichts verzichten. Ich habe mir in der Apotheke "Maraton" gekauft, ein Medikament für die männliche Performanz: "capsule pentru performantei sexuale masculine. Efect: erectii de mai lunga durata si mult mai ferme". Ich weiß nicht, ob es auch fürs Laufen hilft, aber schaden tut es bestimmt nicht.



2.Juli
Den Abend verbrachte ich mit Gesprächen in der Küche des Hostels. Allerdings konnte ich nicht mitreden, weil ich mich dem meisten, was besprochen wurde, nicht so gut auskannte.
"Hast du gehört, der Ire ist abgereist."
"Wirklich?"
"Weißt du schon, wann du fährst?"
"Vielleicht morgen, oder übermorgen. Spätestens in drei Tagen. Und du?"
"Wahrscheinlich übermorgen. Aber vielleicht bleibe ich auch noch einen Tag länger."
"Hast du gesehen, daß der Franzose wieder hier ist?"
"Echt? Wollte der nicht gestern abreisen?"
"Hatte ich auch gedacht, aber er ist wieder da."
"Wem gehört eigentlich der Joghurt im Kühlschrank? Ist der von dir?"
"Nein, ich glaube von den Koreanern."
"Vielleicht kaufe ich mir morgen auch Joghurt."
"Der Joghurt hier ist gut."
"Hast du hier schonmal Joghurt gegessen?"
"Ich bin allergisch gegen Milchprodukte."
"Echt?"


3.Juli
50000 alte Lei hätte ich für die Fahrt zum Stadion zahlen müssen, oder wahlweise 5 neue. 10 gab ich dem Taxifahrer, und er war überfordert, weil es die Scheine erst seit Freitag abend gibt. Ich schlug ihm vor, mir 500000 rauszugeben, was er auch tat. Das erste mal im Leben, daß ich einen Taxifahrer betrogen habe, wenn auch nicht mit Absicht. Seitdem traue ich mich nicht mehr auf die Straße, falls er mich erkennt.

Das Spiel zwischen "Eisenbahn Cluj" und "Athletico Bilbao" verlief sehr einseitig, die Basken hatten auf dem glibschigen Boden keine Chance. Außerdem hielten sie sich an die Anweisung nicht neben das Tor zu schießen, weil sie den Ball sonst aus dem Fluß holen hätten müssen. Auf dem Bild sieht man den berühmten Dorinel Munteanu, der seit dieser Saison Spielertrainer von "Eisenbahn Cluj" ist, kurz vor Ausführung eines Freistoßes, der aber nichts einbrachte.


4.Juli
Feierliche Begrüßung der Teilnehmer des Sommerkurses in der großen Aula der Universität. Simultanübersetzung über Kopfhörer ins Französische und ins Englische. Der Dekan der Fakultät hielt eine Rede, die nicht erkennen ließ, warum er es bis zum Dekan gebracht hat. Hinter ihm saßen andere Funktionäre mit traurigen Augen und die Sprachlehrerinnen, die sich vor allem über ihre Frisuren zu definieren scheinen. Auf dem Foto sieht man sie allerdings nicht, wir sind schließlich in Transsylvanien.



5.Juli

Am Zentralstadion nagt der Zahn der Zeit. Die Losung muß schon etwas älter sein, jedenfalls sind die Farben des Vaterlands nicht mehr die frischesten.

"Sportivi, pregatiţi-vă temeinic pentru a reprezenta cu cinste culorile Patriei în întâlnirile internationale"
"Sportler, bereitet euch gründlich vor, um in internationalen Wettkämpfen mit Stolz die Farben des Vaterlandes zu vertreten."
Ich tue mein bestes.


6.Juli
Ein Spaziergang ins Zentrum führte mich zum "Club Romantic", der aber keinen Eingang hatte. Es sei denn, man muß durch das Kellerfenster steigen, was ja auch etwas romantisches hat.



7.Juli
In der Disko war ich wieder mal der einzige, der nicht getanzt hat. Dafür hatte die Strumpfhose des Jungen ganz links ein Loch im Schritt, das man gerade nicht sehen kann.




Fortsetzung 8.-13-Juli