Stuart O’Grady wurde heute Vierter. Viele werden mit ihm wenig anfangen können. Das ist auch nicht weiter schlimm, denn er wird das grüne Trikot auch dieses Jahr wieder nicht gewinnen, weil es schon seit Erik Zabels Zeiten durchweg fünf bis sechs Sprinter im Peloton gibt, die schneller sind als er. Um so wenig nachvollziehbar ist aus sportlichen Gründen die Nachführarbeit vom Cofidis-Team in der großen Armstrong- und Ullrich-Gruppe, nur um 18 mickrige Punkte in der Sprintwertung abzugreifen, in der er am Ende allenfalls Dritter sein wird. Es gibt vermutlich nur eine Erklärung: es gab eine Abmachung mit dem Discovery Channel Team, diesem Arbeit abzunehmen. Der Grund hierfür liegt 8 Jahre zurück, als Lance Armstrong, damals bei der französischen Mannschaft unter Vertrag, von dieser aufgrund seiner Krebserkrankung und dem vermeintlichen Ende seiner Karriere, kalt entlassen wurde. Sicherlich, eine nicht zu entschuldigende Geste, dennoch kein Grund, ihn heute auch nur irgendwie zu unterstützen. Übrigens wird Jens Voigt die Tour nicht gewinnen. In meiner bereinigten Gesamtwertung taucht er leider nicht auf, da er in dieser leider wegen eines Sturzes schon ausgeschieden ist. Dennoch ist er natürlich auch in meinen Augen ein sympathischer Fahrer.

Die Rote Armee hat zurückgeschlagen. Nachdem gestern, zugegebenermaßen, die amerikanischen Truppen vom Team Discovery Channel T-Mobile überrascht haben, weil sie einfach am letzten Berg so schnell gefahren sind, obwohl sie genau wussten, dass Ullrich, Klöden und Vinokourov nicht ihren besten Tag hatten, ist die Mannschaft von Mario Kummer nun unter Leitung von Oberst Vinokourov zur Gegenoffensive übergegangen. Mit Erfolg. Die Wunden in den Reihen der Gegner sind verheerend. Morgen beispielsweise wird Armstrongs Teamkollege Manuel Beltran stürzen und das Rennen aufgeben müssen. Verdient hätte den Sturz am ehesten aber der Ukrainer Yaroslav Popovych, dafür, dass dieser Verräter in der kulturimperalistischen Mannschaft Discovery Channel, obwohl es in Osteuropa genug sozialistische Teams gibt, bei denen er nicht seine kommunistischen Ideale verraten würde. Jan Ullrich liegt jetzt übrigens nur noch vier Minuten und zwei Sekunden hinter seinem gedopten Widersacher. 

Jan Ullrichs Marsch nach vorne ist unaufhaltsam. Heute hat er sich um einen Platz in der offiziellen Gesamtwertung auf Rang acht verbessert, weil der rassige und draufgängerische Spanier Alejandro Valverde, wegen dem viele Frauen überhaupt erst zum Radsport gekommen sind, heute mit Kniebeschwerden aufgegeben hat. Die meisten Fahrer, die in der offiziellen Gesamtwertung vor Ullrich liegen, haben übrigens sehr anfällige Knie. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis diese aus gesundheitlichen Gründen Platz für unsern Jungen machen. Die Frauen an den Fernsehern brauchen übrigens trotz Valverdes Ausstiegs nicht Trübsal zu blasen. Im Peloton verstecken sich noch so einige weitere Gigolos, zum Beispiel Iban Mayo. Micheal Rogers hingegen ist eher so der Cowboy-Typ aus dem australischen Outback. Ivan Basso sieht eigentlich auch nicht hässlich aus, hat aber schon ziemliche Geheimratsecken. Allerdings sieht man die  nicht, wenn man die ganze Zeit mit ihm Rad fährt, da er dann Helm oder Mütze auf hat. Wer mehr auf behaarte Männer steht, der sollte sich an den Kolumbianer Santiago Botero halten, mit einem kuscheligen Rücken. Auf der Suche nach süßen Lausbubengesichtern ist man mit Thomas Voeckler und Oscar Sevilla gut bedient. Die schönsten Beine hat natürlich weiterhin Jan Ullrich.

Jan Ullrich hat sich heute in der offiziellen Gesamtwertung um satte vier Platze nach vorne geschoben. Nur noch zwei Fahrer schirmen Lance Armstrong vom tödlichen Stoß des Deutschen ab. Es muss für den Texaner mehr als beunruhigend sein, auf der ersten Alpenetappe mehr als zwei Minuten auf Jan Ullrich gewonnen zu haben und diesmal nur 20 Sekunden. Er wird die 12 Sekunden Zeitbonifikation noch brauchen, die er für den heutigen zweiten Platz erhielt, damit er morgen wenigsten bis zum Col du Portillon im gelben Trikot bleibt. Als unsportlichster Fahrer des Tages wird von mir Ivan Basso identifiziert, dem es wichtiger scheint, vor Ullrich am Ende der Tour Zweiter zu sein, als Armstrong vom Sockel zu stürzen. Die zahlreichen Angebote des Deutschen zur Kooperation hat der Italiener fies ausgeschlagen. Und er hat sogar mit dem Amerikaner gesprochen, mehrmals. Dafür wird er von mir aus der Tour ausgeschlossen. Hier greift das gleiche Prinzip wie in der Schule: wer während einer Klassenarbeit mit seinem Nachbarn redet, muss vorher abgeben und bekommt eine Sechs. Glückwunsch noch mal an Georg Totschnig aus Österreich für den heutigen Etappensieg. Waren die ganzen Berge in Österreich also doch nicht umsonst. In der bereingten Tour ist Jan übrigens noch zu Toschnig aufgefahren, hat ihm aber generös den Etappensieg überlassen.

Lance Armstrong sah heute auf der Etappe mal wieder nicht gut aus. Am letzten Anstieg, sein Gesicht, er fuhr am Limit. Dass Jan ihm dennoch nicht Zeit abnehmen konnte, hatte mehrere Ursachen. Zunächst das schlechte Wetter. Es war mit knapp über dreißig Grad einfach zu kalt, als das Ullrich seine Dominanz ausspielen konnte. Er wird ab 45 Grad richtig gut, wohingegen Armstrong bei den heutigen nass-kühleren Bedingungen erst richtig aufdreht. Leider steht das Wetter meistens auf Armstrongs Seite. Zweitens wurde Ullrich von seinem eigenen Teamkollegen Oskar Sevilla auf dem letzten Teil des Schlussanstiegs der Weg versperrt. Durch das enge Zuschauerspalier war kein Vorbeikommen am Spanier. Und drittens war die Etappe ein paar Kilometer zu lang. Damit fielen einfach zu viele ungünstige Faktoren zusammen. Selbst der größte Champ kann hier nur die Waffen strecken. Im bereinigten Gesamtklassement gab es hingegen keine Verschiebungen, da dort auf Anweisung von Jan Ullrich entschieden wurde, das Rennen zu neutralisieren, so dass alle Fahrer gemeinsam ins Ziel kommen, um damit dem vor zehn Jahren am Col du Portet d’Aspet verunglückten Fabio Casartelli zu gedenken, eine tolle Geste, viel toller übrigens als das demonstrativ den Fernsehkameras der Welt zur Schau gestellte Armband von Armstrong, welches allein seiner Imageoffensive geschuldet ist. Natürlich musste die Etappe so langsamer gefahren werden, damit auch Magnus Backstedt und Rafael Nuritdinov nicht den Anschluss verlieren.

Offizielle Gesamwertung
1. Lance Armstrong (USA/DIS)	62h09:59
2. Ivan Basso (ITA/CSC)	+2:46
3. Michael Rasmussen (DAN/RAB)	+3:09
4. Jan Ullrich (ALL/MOB)	+5:58
8. Alexandre Vinokourov (KZK/MOB)	+9:38
10. Andreas Klöden (ALL/MOB)	+12:01
Bereinigte Gesamtwertung
1. Jan Ullrich (ALL/MOB)	62h09:13
2. Lance Armstrong (USA/DIS)	+4:45
3. Andreas Klöden (ALL/MOB)	+5:59
4. Michael Rasmussen (DAN/RAB)	+6:23
5. Alexandre Vinokourov (KZK/MOB)	+6:39

Dieser Tag hat seinen Namen wirklich verdient, denn in Mourenx ist wirklich nichts los. Hier sagen sich Fuchs und Elster gute Nacht. In Mourenx kann man allenfalls den ganzen Tag vor der Glotze rumhängen oder in eine PMU-Bar gehen und sein Geld auf Pferdewetten verzocken. Eine Alternative wäre ein kurzer Abstecher ins nicht weit entfernte Pau, zum Beispiel mit dem Kajak über den Gave de Pau, aber da geht es schließlich schon morgen hin. Und zwei Mal in dieselbe Stadt, das muss nun wirklich nicht sein. Schade nur, dass Jan Ullrich heute viel bessere Beine hat als Armstrong.